DIE HISTORIE
BAU UND BEDEUTUNG DES VERSTÄRKERAMTES PFAFFENHOFEN
Das Pfaffenhofener Verstärkeramt wurde 1924 in Betrieb genommen. Das Gebäude ist heute nach aufwendiger Sanierung ein hervorragendes und sehr gut erhaltenes Beispiel der bedeutenden Bayerischen Postbauschule.
Im sogenannten Verstärkersaal standen früher mehrere Reihen sogenannter Hebdrehwähler. Diese „Wähler“ waren Geräte, mit denen die eingehenden Telefonanrufe mechanisch weitergeleitet wurden. In den 1920er Jahren war das eine technische Revolution, ersetzten diese Maschinen letztlich das „Fräulein vom Amt“, die noch die eingehenden Anrufe manuell verbinden musste. Die Aufgabe des Verstärkeramts war es, die Kabelverluste auf langen Leitungen auszugleichen, so dass die über Kupferleitungen laufenden analogen Signale bis zum nächsten Verstärkeramt – etwa in Nürnberg – weitertransportiert werden konnten und man dort den Anrufer auch noch akustisch verstand.
Das Pfaffenhofener Verstärkeramt 1924
DER ARCHITEKT
Der ausführende Architekt des Verstärkeramts Pfaffenhofen an der Ilm, Franz Holzhammer, nahm 1912 nach seiner Reifeprüfung das Architekturstudium an der Technischen Hochschule München bei Theodor Fischer und Friedrich von Thiersch auf. 1914 bis 1918 musste er das Studium wegen seines Kriegsdienstes unterbrechen, aus dem er mit einer lebensbedrohlichen Verwundung heimkehrt. Nach seinem Abschluss 1920 begann er seine berufliche Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Oberpostdirektion München. 1922 wurde er Regierungsbaumeister und 1924 Postbaurat. Das Verstärkeramt in Pfaffenhofen war sein erster eigenständiger Bau in seiner neuen Funktion als Postbaurat. 1927 wurde Holzhammer zum Leiter des Hochbausachgebiets der Oberpostdirektion
Regensburg berufen, ab 1930 war er als Nachfolger für den an die TH München gewechselten Robert Vorhoelzer in derselben Funktion für die Oberpostdirektion München tätig.
1932 trat Holzhammer der Bayerischen Volkspartei bei, um seine ablehnende Einstellung gegenüber dem Nationalsozialismus auszudrücken. Entgegen wiederholten Aufforderungen, der NSDAP beizutreten, hat sich Holzhammer im Unterschied zu den meisten seiner Kollegen trotz erheblicher beruflicher Nachteile nie zu diesem Schritt drängen lassen. Zudem lehnte er ihm angebotene herausragende Positionen im nationalsozialistischen Bauwesen, etwa das Angebot von Roderich Fick als Stadtbaurat nach Linz zu wechseln oder ins Reichspostministerium in Berlin zu gehen, ab. Seine Beförderung zum Abteilungspräsidenten, die eigentlich 1940 fällig gewesen ist, erfolgte erst nach Kriegsende. Schon während der letzten Kriegsjahre begann Holzhammer mit dem Wiederaufbau zerstörter Postbauten wie zum Beispiel des Postscheckamts München an der Sonnenstraße. 1951 wurde Holzhammer Vizepräsident der Oberpostdirektion München. Ab 1952 war er außerdem Mitglied des Landesbaukunstausschusses Bayern.
BILCK INS ANTIQUARIAT
Holzhammer zeigt sich in seinen Entwürfen sehr stark seiner oberbayerischen Heimat verwurzelt und hatte ein hohes Einfühlungsvermögen in lokale bauliche und landschaftliche Kontexte. Gleichzeitig öffnete er sich aber auch dem Neuen Bauen, wie auch sein Spätwerk, zum Beispiel das Fernmeldeamt an der Blutenburgstraße oder dem bedeutenden Postpalast in der Münchner Arnulfstraße, eindrucksvoll verdeutlicht. Bemerkenswert sind bei den schlicht gehaltenen Baukörpern insbesondere die kleinen ideenreichen Detailgestaltungen, das gut proportionierte Formenspiel bei Fenster- und Türausbildungen, Leibungstiefen, Gesimsen, Natursteinvorlagen, Fensterläden, Dachüberständen, bei Schmiede- und Spenglerarbeiten. Der bis heute durchwegs sehr hohe Erhaltungszustand der bayerischen Postbauten zeugt von der extrem hohen handwerklichen Qualität.
Die bayerische Postbauschule war die wichtigste Manifestation des Neuen Bauens in Bayern zwischen 1920 und 1934. Als Initiatoren dieser Schule gelten Robert Poeverlein und vor allem Robert Vorhoelzer Wichtige Vertreter sind unter anderem Walther Schmidt, Hanna Löv, Franz Holzhammer und Sep Ruf.
DIE NEUZEIT
Mit Umstellung auf die digitale Telefonie verloren die Verstärkerämter zunehmend an Bedeutung, die Gebäude standen leer oder wurden nur noch zu Wohnzwecken benutzt. In den 2000er Jahren trennte sich die Deutsche Telekom von einer Vielzahl von Bauten, darunter auch das Pfaffenhofener Verstärkeramt. Im Jahr 2002 erwarb die Tochter von Margarete Antwertinger, die als Postangestellte eine Dienstwohnung im Verstärkeramt hatte, mit ihrer Familie das Gebäude und funktionierte es zu einem Wohn- und Praxisgebäude um, trennte sich aber knapp zehn Jahre später wieder von dem Gebäude.
Im Oktober 2011 erwarben wir das Dornröschenschloß.
DIE RENOVIERUNG
MODERNES LEBEN MÖGLICH MACHEN
Wir sind beide in Elternhäusern aufgewachsen, in denen großes handwerkliches Geschick an uns weitergegeben wurde, dennoch stellte die Renovierung eines historischen Gebäudes, vor allem dieser Größe, eine neue Dimension auch für uns dar. Eines stand fest: Das Haus sollte eines Tages wieder weitestgehend im Originalzustand erstrahlen. So, als ob man einen wertvollen Oldtimer restauriert. Der kleine Unterschied: Das Verstärkeramt sollte trotz denkmalgerechter Renovierung den neuesten energetischen Standards entsprechen und technisch up to date sein. Norbert, der Elektroingenieur von uns beiden, stand also vor einer schier unlösbaren Aufgabe. Wie baut man unsichtbar eine vollautomatische Lüftungsanlage ein, wo verschwinden Netzwerkkabel? Mein Auftrag: "Du kannst einbauen was Du für richtig hältst - nur sehen darf man es nicht". Eine durchaus deprimierende Zielvorgabe für einen begeisterten Techniker und Erfinder. Aber er schaffte es.
Kaminzüge wurden zu Leitungskanälen umfunktioniert, Lüftungsschläuche in den Fehlböden versteckt und Schrankwände vor Versorgungsleitungen vom Schreiner gebaut. Historische Gusseisengitter vor den Lüftungsauslässen sind heute das Einzige, was sichtbar geblieben ist.
WIE ES ANFING:
Wir starteten 2012 mit der Renovierung der ehemaligen Hausmeisterwohnung im Erdgeschoss. Unser Ziel war es, neben den handwerklichen Fingerübungen der ersten Wohnung vor allem örtliche Handwerker kennenzulernen, die wir für das Großprojekt später gewinnen wollten. Das Glück war uns hold und wir lernten eine ganze Reihe liebenswürdiger und hervorragender Handwerker und Restauratoren kennen, die uns bis heute bei allen Aufgaben, die wir selbst nicht bewerkstelligen können, begleiten. Nach über acht Jahren Renovierung aller Wohn- und Gewerbeeinheiten mit sieben Bäder, fünf Küchen und der Restaurierung oder Wiederherstellung unzähliger Details nach historischem Vorbild, ist das Jahr 2021 das Jahr, in dem das Haus und die Gartenanlagen (nach einem Vorbild des Gartenarchitekten Willy Lange) weitestgehend vollständig wieder erstrahlen.
ÜBERRASCHUNGEN, DACHBODENFUNDE & CO.
Nachdem die Deutsche Post in den 1960er Jahren im Rahmen einer Generalsanierung des Verstärkeramts ziemlich gewütet hatte und reichlich historische Einbauten entfernt und durch z.B. „schicke“ Wabenkerntüren ersetzt hatte, standen wir vor der Sherlock-Holmes-Aufgabe herauszufinden, wie unser Verstärkeramt wohl zur Erbauungszeit ausgesehen haben könnte. Viele Tage in der Staatsbilbliothek und die Anschaffung einer mittlerweile umfassenden Literatursammlung eröffneten uns die Welt der Bayerischen Postbauschule und führten uns derer architektonischen Bedeutung vor Augen.
Das Treppenhaus
Der Dachboden
Inneraum
Es war aber vor allem Glück der beinahe archäologischen Forschung im Haus, das uns das Schicksal bescherte um das Architektur-Puzzle zu vervollständigen:Auf dem Dachboden entdeckten wir eine vergessene Türe, die zum Muster aller 27 Türen wurde, die wir nachschreinern ließen. Eine Wohnung im Haus verfügte noch über die original Fensterläden, so dass auch diese rekonstruiert werden konnten. Im (Treppen)haus half uns eine Restauratorin die originalen Farben mittels Schichtabtragung zu erforschen, so dass wir die Farben nachmischen konnten.Die größte Überraschung hielt aber der Fußboden der einstigen Amtsstuben bereit: Unter sieben (!) Bodenschichten kam völlig unerwartet das original Fischgrätparkett zu Tage. 1939 wurde bereits ein Schonbelag über das Parkett gelegt, über den dann weitere 70 Jahre Bodenbeläge – vom Estrich über Nadelfilz bis zur Terracottafliese – aufgebracht wurden. Heute erstrahlt der Boden fast unversehrt geölt in neuem Glanz.